Sie kreieren vergängliche Kunstwerke aus Blumen – “Es ist eine grosse Ehre”

Sie kreieren vergängliche Kunstwerke aus Blumen – “Es ist eine grosse Ehre”

Sie ist jedes Jahr wieder ein Publikumsmagnet: die Ausstellung «Blumen für die Kunst» im Aargauer Kunsthaus. Heute wird die sechste Ausgabe eröffnet. Ich war beim Aufbau dabei und habe eine Reportage geschrieben.

Dunkelrot leuchten die Helikonien vor dem schwarz-weissen Kunstwerk. Sie sind genauso haarig wie die Männerbeine auf den Fotografien von Balthasar Burkhard. Für den Meisterfloristen Marcus Forster war die Blumenauswahl schon klar, als er das Kunstwerk «Les Jambes/Teil 1» zugeteilt bekam. Die Ambivalenz zwischen Abstossung und Faszination faszinierte ihn. Forster ist einer von 14 Floristen und Floristinnen, die in der sechsten Ausgabe von «Blumen für die Kunst» ihr Können zeigen dürfen. «Damit geht für mich ein grosser Wunsch in Erfüllung», erzählt er, während er die letzten Helikonien an der roten Vorrichtung befestigt.

Am Montagmorgen vor der Vernissage ist das Aargauer Kunsthaus voller Leben. Von 8 bis 15 Uhr haben die Floristinnen und Floristen Zeit, ihre Kunstwerke zu arrangieren. Nun gilt es, die Ideen vom Papier oder aus dem Kopf in den Ausstellungsraum zu überführen. Erst jetzt zeigt sich das Zusammenspiel der Blumen-Arrangements mit den Kunstwerken und mit den Begebenheiten des Museums.

Larissa Kopp ist zufrieden. Kurz vor Mittag ist die junge Floristin schon fast fertig. Das Kunstwerk, das ihr zugeteilt wurde, zeigt einen älteren Herrn in einem Liegestuhl, inmitten eines grünen Gartens. Maler Walter Clénin hat in dieser Szene seinen Freund Traugott Senn verewigt, der ebenfalls Maler war. «Das Bild strahlt eine unglaubliche Ruhe und Gelassenheit aus», findet Larissa Kopp. Sie hat einen ganzen Nachmittag im Kunsthaus verbracht, um sich mit dem Gemälde vertraut zu machen.

“Damit geht für mich ein grosser Wunsch in Erfüllung.”

Marcus Forster, Florist

In ihrer floristischen Umsetzung hat sie sich schliesslich den wilden Garten aus dem Gemälde zum Vorbild genommen. Entstanden ist eine grüne Wiese, die mitten im Raum zu schweben scheint. Den Unterbau und die Blumenschalen hat Kopp selbst gebaut. Hinter den floralen Kunstwerken steckt eine Menge Vorarbeit und Handwerkskunst. Peter Schwitter aus Buochs hat zwei schwebende Halbkugeln kreiert, in die unzählige kleine Reagenzgläser eingelassen sind. Das Werk von Simone Serra-Helbling besteht aus einem aufwendig hergestellten Metallrahmen, in dem 300 Nelken hängen – jede Blume in einem kleinen Säckchen, das die Meisterfloristin selbst genäht hat. Klassische Blumen-Bouquets sind in der Ausstellung dieses Jahr kaum anzutreffen.

Florist Peter Hintermann aus Zürich hat sich derweil intensiv mit Künstler Karl Otto Hügin befasst und sein Blumen-Arrangement stark an sein Werk «im Kaffee» angelehnt. «Hügin waren die einzelnen Personen wichtig», erklärt Hintermann. «Deshalb habe ich verschiedene Blumengefässe verwendet, die gemeinsam ein grosses Ganzes bilden.» Hintermann überprüft noch einmal jedes Gefäss, jede einzelne Blume. Er erzählt dabei vom Sonntagabend, als er, wahnsinnig aufgeregt, nochmals sein ganzes Konzept hinterfragt hat.

Starflorist hat Verspätung

Die Teilnahme an «Blumen für die Kunst» entspricht für die Floristen einem Ritterschlag, die meisten haben die beliebte Ausstellung schon mehrmals besucht. «Ich fühle mich sehr geehrt», sagt auch Peter Hintermann. Die Nervosität sei von ihm abgefallen, als er am Morgen mit der Arbeit angefangen habe. So geht es den meisten. «Die Stimmung ist sehr angenehm, uns wird alles abgenommen», erzählt Marcus Forster. Von Hektik gibt es auch um die Mittagszeit noch keine Spur.

Nur einer fehlt in der Betriebsamkeit des Aufbaus: der gross angekündigte Meisterflorist Solomon Leong aus Hongkong. Wegen schlechten Wetters wurde sein Flug verschoben. Zur Erleichterung der Organisatoren ist seine Assistentin bereits in der Schweiz. Sie kümmert sich um einen Teil des Arrangements und der Platz vor Markus Raetz’ «Porträt von Monika» wird bei der Eröffnung nicht leer sein.

Dieser Artikel ist in der Aargauer Zeitung vom 5. März 2019 erschienen. Bild: Severin Bigler