Pflegefamilien dringend gesucht: Die Anforderungen haben sich verändert

Die Geschichte der Fachstelle Kompass zeigt, wie sich das Vorgehen bei Fremdplatzierungen verändert hat. Dies erschwert es auch, passende Familien zu finden.

Im Mai 1994 wurde Kompass als dezentrales Familienplatzierungsprojekt des Kantons Solothurn gegründet. Der damalige Leiter Ruedi Spiegel startete mit fünf Pflegefamilien und war flexibel mit einem Büro-Bus unterwegs. Anfangs ging es darum, Kinder in Krisensituationen aus der Familie zu nehmen, so lange bis eine Lösung gefunden wurde. Die Platzierungen dauerten drei bis sechs Monate.

Mit der Zeit wurde klar, dass zusätzliche Angebote nötig sind. «Nicht jedes Kind hätte fremdplatziert werden müssen, wenn die Familie schon im Vorfeld Unterstützung erhalten hätte», so Maria Kamber, welche die Fachstelle heute leitet. Bereits 1995 wurde deshalb die sozialpädagogische Familienbegleitung bei Kompass eingeführt.

Die Begleiterinnen konnten so direkt Probleme im Familienalltag angehen. «In den Jahren danach haben wir immer wieder gehört, wir hätten noch früher ansetzen sollen, um Krisen im Voraus zu verhindern», so Kamber. So bot Kompass im Jahr 2003 erste Erziehungskurse an und baute seitdem sein Elternbildungsangebot stark aus.

Heute führt Kompass bis zu 200 Veranstaltungen pro Jahr durch. Kurse für Eltern von Kleinkindern bis Teenagern sowie einzelne Veranstaltungen zu Themen wie Trennung, Streit oder digitale Medien. Auch verschiedene Beratungsangebote gehören zum Angebot.

Pflegefamilien sind schwieriger zu finden

Die Situation bei den Pflegefamilien hat sich seit der Gründung von Kompass stark verändert. «Wenn man Kinder heute platziert, sind es wirklich schwierige Situationen mit Eltern, die aufgrund von grossen und dauerhaften Belastungen nicht selber für ihr Kind sorgen können», so Kamber. Diese Kinder bleiben meist langfristig, Wechsel gibt es nur noch drei bis vier pro Jahr, früher waren es gegen 50.

Ich habe mit zwei Pflegemüttern über ihre Erfahrungen gesprochen. Den Artikel dazu finden Sie hier.

Aktuell sind bei Kompass 18 Pflegefamilien eingestellt, einige kommen bald ins Pensionsalter. Nachfolger zu finden, sei heute schwieriger als früher, so Kamber. Einerseits seien die Pflegeverhältnisse anspruchsvoll und langfristig, dies wolle man nicht verheimlichen.

Früher sei auch noch eher ein Elternteil zu Hause geblieben, während heute in vielen Paaren beide Partner berufstätig sind. Bei der Auswahl der Familien sei man heute weniger streng als früher und berücksichtige nicht nur die traditionelle Familienform, so Kamber. Wichtig sei immer auch, dass jemand genug Unterstützung von seinem Umfeld habe – sei es von Eltern, Freunden oder Nachbarn.

Vier bis fünf neue Pflegefamilien im Kanton wären super, so Kamber. Gesucht sind Paare, die Kinder auf ihrem Lebensweg ein Stück weit begleiten möchten. Für Maria Kamber ist jedoch klar: «In erster Linie ist es ein soziales Engagement, auch wenn man für die Betreuung des Pflegekindes Lohn erhält.»

Dieser Artikel ist in der Solothurner Zeitung vom 9. Dezember 2019 erschienen.