Enter Shikari geht über Genre-Grenzen – warum das super ist

Die britische Band Enter Shikari startete als Hardcore-Metalband. Heute sind sie sehr experimentell unterwegs und lassen sich in keine Schublade stecken.

Man kann Enter Shikari nur schlecht einem Genre zuordnen. Jedes Album, ja nahezu jeder Song des britischen Quartetts hat einen eigenen Charakter. Experimentierfreudig, politisch, leidenschaftlich. Ursprünglich aus der Hardcore- und Metalcore-Ecke haben sie ihr Repertoire seit der Gründung im Jahr 2003 stetig weiterentwickelt.

Elektro- und Pop-Elemente tauchen auf fast allen Enter-Shikari-Alben auf. Das Neueste mit dem Titel «The Spark» (2017) geht noch weiter. Die Songs sind stärker beeinflusst von Alternative- und 80er-Synth-Pop und zeigen nochmals eine andere Seite der Band. «Ich war gelangweilt von den Alternative-Musikstilen wie Metal, Metalcore und so weiter», sagte Frontmann Rou Reynolds im Interview mit der Musikzeitschrift Kerrang.

Von Panikattacken und Klimawandel

Reynolds Texte wurden mit der Zeit persönlicher, auf dem jüngsten Album thematisiert er seine psychischen Probleme wie Schlafstörungen und Panikattacken. 2015 erreichten diese ihren Höhepunkt, die Attacken wurden verheerender, Reynolds schlief tagelang nicht. Er begann eine Therapie, tritt seither kürzer. «The Spark» erzählt von dieser Zeit, wobei Reynolds die düsteren Lyrics teilweise mit fröhlichem Sound kombiniert. Bestes Beispiel dafür der Song «Live Outside», der eine Panikattacke beschreibt, während die Melodie Heiterkeit suggeriert.

Die Lieder sollten eine gewisse Hoffnung beinhalten, für ihn selbst und die Fans. «The Spark» lebt von einer starken Emotion, die Reynolds hineingibt. «Auch, wenn ich bei ‹Airfields› eine Träne verdrücke, gibt mir der Song dennoch ein wärmendes Gefühl», sagt er gegenüber Kerrang. Schwieriger ist für ihn das Performen von «An Ode to Lost Jigsaw Pieces». In der Aufnahme des Songs über einen schmerzhaften Verlust hört man am Ende, wie die Stimme des Sängers bricht. Live hat ihn die Band noch nie performt. Auch Politik und Gesellschaftskritik spielen bei Enter Shikari eine grosse Rolle.

Eine gewaltige Liveband

Bereits 2009, in ihrem Song «Mothership», spielt Reynolds auf den Klimawandel an, singt vom Ozonloch und vom Korallensterben. Auf dem jüngsten Album war der Brexit Thema, der auch für Kunstschaffende schlimme Folgen haben könnte. «I don’t wanna take my country back. I wanna take my country forward», so die ersten beiden Textzeilen.

In England füllen Enter Shikari regelmässig ganze Stadien, 2018 gingen sie auf Asien-Tour und spielten in Tokyo, Bangkok, Singapur und Hongkong. Auch beim Open Air Gränichen im Aargau standen die vier Briten schon lange auf der Wunschliste. «Wir hatten grosses Glück, dass es nun geklappt hat, sie sind eine gewaltige Live-Band», so Mediensprecher Basil Kuster.

Positive Entwicklung oder verlorene Stärke?

Enter Shikari spielt in Gränichen unter anderem neben Caliban oder Sick of it all. Ihre alten Songs wie «Sorry You’re Not a Winner» zählten gemäss Kuster auch in der Schweizer Szene zu den Alltime-Favourites, in der Schweiz spielten sie zuletzt vor drei Jahren.

Nicht bei allen Fans kommt die Entwicklung der Band gut an, mit der sie sich ein Stück weit von der Alternativen Szene entfernt. Einige Kommentatoren in den sozialen Medien vermissen die Härte der frühen Alben, finden, die Band habe ihre Stärke verloren. Sie sind allerdings in der Minderheit. Fest steht: Enter Shikari hat mit Rou Reynolds einen äusserst talentierten Songwriter und Sänger, der sein Publikum berühren und mitreissen kann. In welche musikalische Richtung sich die Band in Zukunft noch bewegt, ist völlig offen. Und das ist gut so.

Dieser Artikel ist am 26. Juli 2019 in der Aargauer Zeitung erschienen.