Anja Bandi fühlt sich auf dem grössten Friedhof der Schweiz pudelwohl – ein Porträt der neuen Leiterin Bestattungswesen

Anja Bandi fühlt sich auf dem grössten Friedhof der Schweiz pudelwohl – ein Porträt der neuen Leiterin Bestattungswesen

Anja Bandi leitet seit Anfang Juni die Basler Friedhöfe – ihre Fröhlichkeit verliert sie dabei aber nicht. Tagtäglich mit den Tod konfrontiert zu sein, scheint für die 45-Jährige kein Problem.

Anja Bandi steuert das Elektro-Mobil ein wenig zu schwungvoll um eine enge Kurve. «Entschuldigung», sagt sie und lacht dabei etwas nervös. Es ist erst das zweite Mal, dass sie mit dem kleinen Bus über den Friedhof am Hörnli fährt. «Zum Glück habe ich keine Angst», meint sie und nimmt die nächste Kurve souverän.

Angst hatte die 45-jährige Bernerin auch nicht, als sie sich um die Stelle als Leiterin Bestattungswesen bewarb. Nur wenige Tage, nachdem sie die Ausschreibung gesehen hatte, war sie sich sicher: «Ich will diesen Job!»

Nach vier Jahren als Teamleiterin beim Amt für Wirtschaft im Kanton Aargau spürte sie ein Kribbeln. «Ich suchte eine Herausforderung und einen Job, der meinem Naturell entspricht», sagt Bandi. Sie arbeitet gerne mit Menschen zusammen und vertieft sich gerne in verschiedene Sachgebiete.

Genau das bietet die Arbeit als Leiterin des Bestattungswesens. Sie sitzt in der Geschäftsleitung der Stadtgärtnerei, führt ihre Mitarbeiter, koordiniert Projekte. Nach zwanzig Jahren auf verschiedenen Gemeindeverwaltungen kennt sie auch die Abläufe bei Todesfällen. «Da hatte ich auch schon oft mit Menschen zu tun, die jemanden verloren haben.»

Religion spielt keine Rolle

Dabei hat sie beobachtet, dass sich die meisten Menschen nicht wirklich mit dem Tod auseinandersetzen. «Wir wollen nichts mit dem Tod zu tun haben, schliessen ihn komplett aus. Doch er gehört zum Leben dazu». Wer sich nicht mit seinem Tod befasst, stelle die Hinterbliebenen im Todesfall vor eine schwierige Aufgabe. «Mein Lebenspartner und ich haben alles festgelegt und niedergeschrieben», erklärt Bandi.

«Meine Mutter hingegen wollte nicht einmal darüber sprechen.» Dabei mache man sich vieles leichter, wenn man sich die Endlichkeit des Lebens bewusst mache: «Man lebt intensiver und kann alles mehr geniessen.» Mit Religion haben Bandis Überzeugungen nichts zu tun. «Ich bin reformiert, die Religion hat aber in meinem Leben nie eine grosse Rolle gespielt.»

Tagtäglich mit den Tod konfrontiert zu sein, scheint für Bandi kein Problem. «Ich wusste am Anfang nicht, was das mit mir macht, bis jetzt habe ich aber noch keine Nacht schlecht geschlafen. Man darf sich den Emotionen aber auch nicht verschliessen, um alle Eindrücke verarbeiten zu können.» Unter den Mitarbeitern würden auch oft Witze gemacht, das schliesst sich für die fröhliche Aargauerin nicht aus.

«Dieser Job und ich, wir haben uns gesucht und gefunden», sagt Bandi. Sie fühlt sich auf dem grössten Friedhof der Schweiz sichtlich wohl. Bevor sie sich für die Stelle bewarb, kannte sie das 54 Hektar grosse Hörnli-Areal noch nicht.

«Vor dem Vorstellungsgespräch kam ich hierher und es hat mich sofort gepackt», erzählt sie. Mittlerweile kennt sie das Hörnli ziemlich gut, nur noch selten verfehlt sie die richtige Abzweigung. Auf der Rundfahrt über das Areal muss der Elektro-Bus ein paar Gärtnern ausweichen. «Ich glaube, die wissen noch nicht, dass ich die Chefin bin», sagt Bandi und lacht lauthals.

Friedhof als kulturellen Ort

«Ich bin während der Arbeitszeit viel zu wenig hier draussen», erzählt Bandi. Sie steuert den Elektro-Bus den Hügel hinauf, ans obere Ende des Hörnli. «Das war Marc Lüthis Lieblingsplatz, hier liegt einem ganz Basel zu Füssen.» Ihr Vorgänger habe ihr in der Übergangszeit im Mai regelrecht den Roten Teppich ausgerollt und versucht, ihr all sein Wissen weiterzugeben, so Bandi.

Lüthi hat die Basler Friedhöfe, insbesondere das Hörnli, in den letzten sieben Jahren stark geprägt. Unter seiner Leitung wurde das neue Krematorium gebaut und er hat neue Bestattungsformen wie den Gemeinschaftsbaum eingeführt. Anja Bandi tritt nun in seine grossen Fussstapfen.

«Es gab am Anfang Momente, in denen ich kurz leer schlucken musste», erzählt Bandi. «Ich habe grossen Respekt vor der ganzen Arbeit, das ist eine riesen Kiste.»
Trotz ihres Respekts ist Bandi von ihrer neuen Stelle sichtlich begeistert. «Jedes Mal, wenn ich aus dem Büro-Fenster schaue, denke ich daran, wie privilegiert ich bin, das ich hier arbeiten darf», sagt sie mit gerührter Stimme.

Bandi möchte den Friedhof auch vermehrt als kulturellen Ort etablieren. Sie könnte sich Kunstprojekte vorstellen, die die Bevölkerung auf das Gelände locken und Ängste abbauen sollen. «Der Friedhof ist auch ein Ort, an dem man Kraft tanken kann, die Leute können hier die Natur geniessen oder einen Spaziergang machen.» Was Zukunftspläne angeht, bleibt Bandi vorsichtig. Sie möchte nichts Falsches sagen, nach zwei Wochen im Amt. «Es gibt aber ein mögliches Projekt, für das ich schon Feuer und Flamme bin», verrät sie.

Dieser Artikel ist in der bz Basel vom 18.6.2018 erschienen. Bild: Nicole Nars-Zimmer.